Ein Schlag ins Gesicht Israels!
Uno erkennt Palästina als Staat an
Diplomatischer
Triumph über den Erzfeind Israel: Mit überwältigender Mehrheit hat die
Uno-Vollversammlung Palästina als beobachtenden Nicht-Mitgliedstaat
aufgenommen. US-Außenministerin Clinton bezeichnete die Entscheidung als
unglücklich. Europa zeigte sich bei der Abstimmung gespalten.
New York - Historischer Tag bei den Vereinten Nationen: Mehr als
sechs Jahrzehnte nach Gründung Israels hat die Uno-Vollversammlung mit
großer Mehrheit Palästina als Staat mit Beobachterstatus bei der Uno
anerkannt. Die Abstimmung am Donnerstagabend in New York gegen den
Widerstand der USA und anderer westlicher Länder gilt als
einer der größten diplomatischen Triumphe der Palästinenser
über den Erzfeind Israel. Es gibt allerdings Befürchtungen, dass der
vor allem symbolische Schritt den stockenden Friedensprozess im Nahen
Osten weiter belastet.
138 der 193 Uno-Mitglieder stimmten am Donnerstag für eine solche
Anerkennung Palästinas, nur neun dagegen. 41 enthielten sich, darunter
Deutschland. Das Ergebnis stellt einen großen Erfolg für die
Palästinenser dar, weil eine einfache Mehrheit von 97 Staaten genügt
hätte.
In der Uno-Vollversammlung fielen sich Diplomaten in die Arme und
klopften, über die konsternierten Blicke israelischer und amerikanischer
Vertreter hinweg, Palästinenserpräsident
Mahmud Abbas auf die Schulter.
Gegen die Resolution stimmten unter anderem Israel und die USA.
Mehrere enge Verbündete Israels wie Deutschland enthielten sich. Auch
Großbritannien und die Niederlande folgten dieser Linie. Italien,
Frankreich und die Schweiz, Spanien und Portugal, Österreich und
Luxemburg, Norwegen und Dänemark stimmten für die Anerkennung. Die
Bemühungen für eine gemeinsame Haltung der Europäischen Union waren im
Vorfeld gescheitert.
Ein westlicher Diplomat sprach "vom schlechtesten Timing der
Weltgeschichte." Der Antrag hätte Israel so oder so gereizt, ihn aber
mitten im israelischen Wahlkampf vorzubringen sei "in etwa so
diplomatisch wie ein Fausthieb". Und ein anderer sagt, es sei zudem "ein
Schlag ins Gesicht" von US-Präsident Barack Obama, der Frieden mit
Israel zur Bedingung gemacht hatte.
"Unglückliche und kontraproduktive Entscheidung"
US-Außenministerin
Hillary Clinton
bezeichnete die Entscheidung als unglücklich und kontraproduktiv. Sie
werde zu mehr Hindernissen im Friedensprozess führen. "Die Vereinigten
Staaten von Amerika bitten die Palästinenser und Israelis die
Friedensverhandlungen ohne Vorbedingungen wieder aufzunehmen", sagte die
US-amerikanische Botschafterin Susan Rice.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat angesichts
der Anerkennung vor iranischem Terror vom Westjordanland aus gewarnt.
"Wir werden es nicht zulassen, dass Judäa und Samaria (Westjordanland)
so wie der Libanon und der Gazastreifen zu einem Stützpunkt für
iranischen Terror werden", hieß es aus seinem Büro. "Die Welt hat die
Rede von Abbas gesehen, die von Hass und Gift gegen Israel sowie von
Lügen über die israelische Armee und Israelis strotzte", hieß es zudem
aus Netanjahus Büro. "So spricht niemand, der Frieden will."
Abbas hatte bei der Begründung des Antrags auf Anerkennung der
Palästinenser als Uno-Beobachterstaat Israel unter anderem Rassismus,
Apartheid, Kolonialismus, ethnische Säuberungen und die Ermordung von
Zivilisten vorgeworfen, zugleich aber den Friedenswillen der
Palästinenser betont. Er drängte die Vollversammlung zu der
"Geburtsurkunde für den Palästinenserstaat". Die Anerkennung als Staat
sei die "letzte Chance" für eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahost-Konflikt.
Stimmrecht gibt es für die Palästinenser nicht
Die Anerkennung als Beobachterstaat ist allerdings nur innerhalb der
Uno-Organisation wirksam. Als Beobachterstaat, wie es auch der Vatikan
ist, können die Palästinenser in Ausschüssen mitarbeiten und haben
Rederecht. Auch Stimmrecht in der Vollversammlung gibt es für die
Palästinenser nicht. Allerdings können sie nun beim Internationalen
Strafgerichtshof als Kläger auftreten und Israels Siedlungen in den
besetzten Gebieten auf die Tagesordnung bringen. Außerdem ist der
Beobachterstatus ein Sprungbrett zur Vollmitgliedschaft.
Tausende Palästinenser haben im Westjordanland und im Gazastreifen mit
Freudenfesten, Hupkonzerten und Schüssen in die Luft ihre Anerkennung
als UN-Beobachterstaat begrüßt. Die größte Kundgebung gab es in
Ramallah. Im politischen und wirtschaftlichen Zentrum des
Westjordanlandes hatten etwa 3000 Menschen die kämpferische UN-Rede des
Palästinenserpräsidenten unter großem Beifall auf einer Leinwand
verfolgt. Männer, Frauen und Kinder schwenkten zu patriotischer Musik
und Tanzaufführungen palästinensische Flaggen. Auch im Gazastreifen
füllten sich die Straßen schnell mit begeisterten Menschen.
Israels Uno-Botschafter Ron Prosor warf wie Netanjahu den
Palästinensern vor, entgegen ihren Beteuerungen nicht den Frieden zu
suchen. "Israel will Frieden. Wir haben immer wieder die Hand
ausgestreckt. Die Antwort waren Zurückweisung, Gewalt und auch
Terrorismus." Zugleich sprach Prosor der Vollversammlung das Recht ab,
über Frieden zwischen den beiden Völkern zu entscheiden: "Der einzige
Weg zum Frieden ist durch Verhandlungen und Kompromisse beider Partner,
nicht durch Uno-Resolutionen."
Vor mehr als einem Jahr hatten die Palästinenser bereits die
Vollmitgliedschaft in den Vereinten Nationen angestrebt. Doch das geht
nur über den Sicherheitsrat und da blockieren die USA, solange es keinen
Frieden mit Israel gibt.
phw/kha/dpa/Reuters/dapd
http://www.spiegel.de/politik/ausland/uno-vollversammlung-stimmt-fuer-palaestina-aufwertung-a-870036.html
Beobachterstaat
Palästinenser bejubeln UN-Anerkennung
Jubel von New York bis Ramallah: Die
UN-Vollversammlung hat Palästina als Staat anerkannt. Doch es ist mehr
als fraglich, dass die historische Entscheidung den Friedensprozess
voranbringen wird.
Mit Jubel haben Menschen in vielen arabischen Staaten auf die Anerkennung Palästinas als Beobachterstaat durch die
Vereinten Nationen reagiert. Als
das Ergebnis der UN-Vollversammlung am Donnerstagabend bekannt wurde,
brach nicht nur im Saal in New York Jubel aus. Vor allem in den
Palästinensergebieten feierten Zehntausende. Kritiker mahnen allerdings
vor Katerstimmung: Keines der Probleme sei gelöst und das Votum könne
den ohnehin kaum noch existenten Friedensprozess weiter belasten.
138
der 193 UN-Mitglieder hatten am Donnerstag für eine solche Anerkennung
gestimmt, nur neun waren dagegen. 41 enthielten sich, darunter
Deutschland. Das Ergebnis gilt als großer Erfolg für die Palästinenser,
weil schon eine einfache Mehrheit von 97 Staaten genügt hätte. Die
Anerkennung ist allerdings nur innerhalb der UN-Organisation wirksam.
Und kein UN-Mitglied ist verpflichtet, einen Staat
Palästina anzuerkennen. Das bleibt weiter den einzelnen Regierungen vorbehalten. UN-Mitglied wird Palästina dadurch nicht.
Palästinenser könnten gegen Besiedlung klagen
Als Beobachterstaat, wie es auch der Vatikan ist, können die Palästinenser in Ausschüssen mitarbeiten und haben Rederecht.
Ein Stimmrecht in der Vollversammlung
gibt es aber für die Palästinenser nicht. Allerdings könnten sie beim
Internationalen Strafgerichtshof als Kläger auftreten und Israels
Siedlungen in den besetzten Gebieten auf die Tagesordnung bringen.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas
hatte zuvor von der UN-Vollversammlung die Anerkennung eines Staates
Palästina mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt verlangt. "Ich rufe die
Vollversammlung auf, heute die Geburtsurkunde eines Staates Palästina
auszustellen", sagte er. "Wir werden nicht weniger akzeptieren als die
Unabhängigkeit eines Staates Palästina mit Ost-Jerusalem als seiner
Hauptstadt - auf dem gesamten Territorium, das 1967 besetzt wurde - um
in Frieden und Sicherheit neben
Israel zu leben."
Unversöhnlich: Abbas und Netanjahu
Abbas
erhob aber schwere Vorwürfe gegen Israel: "Wir kommen zu Ihnen noch mit
offenen Wunden von der jüngsten israelischen Aggression. Wir begraben
noch unsere Märtyrer", sagte er. "Unsere friedlichen politischen und
diplomatischen Bemühungen um Anerkennung als Beobachterstaat wurden von
Israel mit einer Flut von Bedrohungen beantwortet", sagte Abbas. Einige
dieser Drohungen seien "in barbarischer und furchtbarer Weise umgesetzt
worden, gerade vor wenigen Tagen in Gaza".
Israels
UN-Botschafter Ron Prosor warf den Palästinensern hingegen vor, entgegen
ihren Beteuerungen nicht den Frieden zu suchen. "Israel will Frieden.
Wir haben immer wieder die Hand ausgestreckt. Die Antwort waren
Zurückweisung, Gewalt und auch Terrorismus", sagte der Diplomat. Die
Palästinenser hätten jedes Zugeständnis für neue Aggressionen genutzt.
"Der Gazastreifen hat sich zu einer einzigen Raketenabschussbasis gegen
Israel entwickelt. Und wir werden nicht zulassen, dass es eine Basis für
den iranischen Terrorismus wird."
Israels Regierungschef
Benjamin Netanjahu
reagierte mit scharfer Kritik auf den Auftritt. Die Rede von Abbas sei
"voll von Lügen und Propaganda" gewesen, erklärte Netanjahu am
Donnerstagabend. Indem die Palästinenser einen höheren Status bei der
UNO beantragten, hätten sie "ihre Verträge mit Israel verletzt". Seine
Regierung werde "die Konsequenzen daraus ziehen", fügte Netanjahu hinzu.
Feuerwerk, Hupkonzert und Freudenschüsse
Tausende
Palästinenser feierten in der Nacht im Westjordanland und im
Gazastreifen mit Feuerwerk, Hupkonzerten und Schüssen in die Luft ihre
Anerkennung als UN-Beobachterstaat. "Ich kann unsere Gefühle kaum in
Worte fassen. Alles was ich jetzt sagen kann ist, dass ich so stolz bin,
Palästinenser zu sein", meinte Mohamed Humaid, ein Bewohner des
Gazastreifens. "Heute haben wir den Beobachterstatus erlangt und bald
werden wir ein Vollmitglied sein", sagte der 27-Jährige.
Deutschland glaubt an die Zwei-Staaten-Lösung
Neben
Israel hatten auch die USA und andere Staaten die Aufwertung abgelehnt,
solange die Palästinenser keinen Frieden mit Israel schließen. "Diese
Resolution etabliert keinen palästinensischen Staat", sagte
UN-Botschafterin Susan Rice. Verhandlungen zwischen Israel und den
Palästinensern seien weiter der einzige Weg zu einer Lösung des
Nahost-Konflikts. "Es gibt keine Abkürzung. Wenn alle Stimmen abgegeben
sind und alle Reden vergessen sind, sind es die Israelis und die
Palästinenser, die miteinander sprechen, einander zuhören und friedliche
Seite an Seite leben müssen."
Auch Deutschlands
UN-Botschafter Peter Wittig äußerte Befürchtungen, dass das Votum die
Friedensgespräche erschwere. "Das könnte uns weiter von einer
friedlichen Lösung entfernen." Deutschland glaube an zwei Staaten. "Der
palästinensische Staat kann aber nur durch direkte Friedensgespräche mit
Israel kommen."
Frankreich sah dagegen die
Aufwertung Palästinas zum Beobachterstaat als einen möglichen Schritt
auf dem Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung im Nahost-Konflikt sein.
Frankreich habe für die Statusaufwertung gestimmt, weil es für eine
Lösung des in einer Sackgasse feststeckenden Friedensprozesses sei,
sagte der französische UN-Botschafter Gerard Araud kurz nach der
Abstimmung.
Vollmitgliedschaft oder aufgewerteter Beobachterstatus
Präsident Mahmud Abbas will die staatliche Anerkennung Palästinas durch die Vereinten Nationen.
Bild: Keystone
Die Palästinenser wollen bei der
UNO-Generaldebatte in der kommenden Woche in New York die Weichen für
eine staatliche Anerkennung durch die Vereinten Nationen stellen.
Voraussichtlich am Dienstag wird Palästinenserpräsident Mahmud Abbas
einen entsprechenden Antrag an UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon
überreichen. Bislang hält sich die Autonomiebehörde in Ramallah aber
bedeckt, was die Einzelheiten angeht. Grundsätzlich stehen den
Palästinensern zwei Möglichkeiten offen:
Der klassische Weg: Aufnahme als Vollmitglied
Laut Charta der Vereinten Nationen steht die Mitgliedschaft allen
"friedliebenden Staaten" offen, die fähig und gewillt sind, den
UNO-Verpflichtungen nachzukommen.
Das Aufnahmeverfahren ist klar
geregelt: Zunächst müssen mindestens neun der 15 Mitglieder des
Sicherheitsrats grünes Licht für einen entsprechenden Antrag geben -
darunter die fünf Veto-Mächte USA, Russland, China, Frankreich und
Grossbritannien. Anschliessend muss die Vollversammlung die Aufnahme mit
einer Zweidrittelmehrheit billigen.
Erklärtes Ziel der
Palästinenser ist, der 194. Mitgliedsstaat der UNO zu werden. Nach
eigenen Angaben verfügen sie über die Unterstützung von bis zu 150 der
193 Mitgliedstaaten in der Vollversammlung.
Im Sicherheitsrat
allerdings droht ihre Initiative am Veto der USA zu scheitern. Die
Regierung in Washington hat deutlich gemacht, dass sie in dieser Frage
fest an der Seite des Verbündeten Israel steht.
Die Alternative: Der aufgewertete Beobachterstatus
Anders als bei der Vollmitgliedschaft beruht der Beobachterstatus von
Staaten allein auf der bisherigen Praxis der UNO, in der Charta finden
sich hierzu keine Bestimmungen. Die Variante geht zurück auf die
Schweiz, die ab 1948 als Beobachter der UNO angehörte und erst seit 2002
Vollmitglied ist.
Auch die Bundesrepublik Deutschland hatte
zwischen 1952 und der Aufnahme als Vollmitglied 1973 einen
Beobachterstatus. Derzeit gehört nur noch ein Nicht-Mitgliedstaat als
permanenter Beobachter der UNO an - der Vatikan.
Die
Palästinenser verfügen seit der Anerkennung der Palästinensischen
Befreiungsorganisation (PLO) durch die UNO in den 70er Jahren nur über
einen einfachen Beobachterstatus, vergleichbar etwa mit internationalen
Organisationen.
Zwar erhielt die Autonomiebehörde in Ramallah
1998 zusätzliche Rechte, etwa das Rederecht bei der Generaldebatte, ohne
jedoch mit souveränen Staaten gleichgestellt zu werden.
Für eine
Aufwertung des Beobachterstatus genügt eine einfache Mehrheit in der
Vollversammlung - diese scheint angesichts der von Russland über
lateinamerikanische Staaten bis zur arabischen Welt reichenden
Unterstützerkoalition wahrscheinlich.
(sda)